Clean und grün
Entstehen so neuen Formen des Zusammenlebens, oder ist es der Beginn lückenloser Überwachung? Das Versprechen klingt verlockend – ruhige, klimaneutrale Städte mit viel Grün und guter Luft, mit Wohnungen, die wenig Energie verbrauchen, perfekt an die Bedürfnisse ihrer Bewohner angepasst sind und optimale Arbeitsplätze und Ernährung bieten. Autos fahren, wenn überhaupt, elektrisch und autonom. Müll wird lautlos und unsichtbar abtransportiert und vollständig recycelt. So die Vision.
Reibungslos und perfekt
Alles, was Menschen brauchen, ist in höchstens 15 Minuten zu Fuß erreichbar – Arbeitsplätze, Freizeitmöglichkeiten, Schulen, Kitas und Shoppingcenter. Möglich wird das, so die Idee, durch die enormen technischen Fortschritte. Eine Stadt, die reibungslos und perfekt funktioniert, während im Hintergrund große IT-Konzerne die Abläufe – und die Daten – sichern. Eine Vision, die in zahlreichen Ländern längst Realität wird. Mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Am Gemeinwohl orientiert?
Nach wie vor ist fraglich, wie in diese Konzepte eine humanistische Haltung und Umweltverträglichkeit implementiert werden können. Wem gehören beispielsweise die Daten, auf deren Verarbeitung die Infrastruktur der Städte beruht? Wie sollten sie genutzt werden: kommerziell oder am Gemeinwohl orientiert? Wer garantiert langfristig die Privatsphäre der Bewohnenden? Wenn lückenlose Überwachung des Alltags diesen Alltag erst ermöglicht – wird sie dann nicht auch genutzt, um die Bewohner der Stadt zu "steuern"?
Smart City - bloß ein Hype?
Smart Cities existieren längst, und Dutzende Megaprojekte sind bereits umgesetzt oder in Planung. Auf dem afrikanischen Kontinent locken große Investmentfirmen und IT-Konzerne mit perfekt durchgeplanten Metropolen, die in der Peripherie bestehender Städte realisiert werden sollen. Die anvisierten Bewohner: aufstrebende Mittelschichten und die, die bereits über genügend Kapital verfügen.
Ist die Smart City also bloß ein Hype? Ein Konzept, für das Millionen an Fördermitteln ausgelobt werden, sodass Städte mittlerweile um möglichst gute Plätze im bundesweiten Ranking konkurrieren. Unzählige Städte und Gemeinden in Europa wollen so nachhaltiger und kostengünstiger wirtschaften. Doch wer profitiert wirklich davon?
Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen
Wie werden bestehende Städte wieder "menschlicher", erlebbarer und wohnbarer? Welche alternativen Konzepte gibt es, durch die Städte auch in Zukunft attraktiv und lebendig bleiben? Wenn Smart Cities eine lebbare Utopie darstellen, wie lassen sich dann die dystopischen Folgen vermeiden?
Gäste:
Anke Strüver ist Professorin für Stadtgeographie an der Universität Graz. Sie forscht zu kritischen Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten und hinterfragt das Versprechen, dass die "Smart City" eine nachhaltige Zukunft mit hoher Lebensqualität für alle bereit stellt.
Die Architektin Tatjana Schneider leitet das Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt (GTAS) der Technischen Universität Braunschweig. Sie forscht zu sozio-kulturellen und politischen Aspekten von Stadtplanung und plädiert für mehr Vielfalt und „Unordnung“ um zukünftig lebenswerte Städte für alle zu gestalten.
Leonard Dobusch lehrt als Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Innovation, Standardisierung und private Regulierung. Er findet, dass Städte nur dann smart sein können, wenn ihre Technologien mit "einer an digitalen Gemeingütern orientierten Offenheit genutzt werden".
Sendetermin: 23.03.2023, von 21:00 bis 22:00 Uhr